SCHIEDSRICHTERGRUPPE BAD MERGENTHEIM
30. Mai 2022 | Klaus T. Mende

Ich habe reagiert und funktioniert

Vorbildlicher Einsatz: Wie der Igersheimer Schiedsrichter Tim Krauter während eines Fußballspiels einem jungen Mann das Leben rettet

Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und dabei richtig reagiert: Der Igersheimer Tim Krauter hat Anfang April auf dem Sportplatz in Rot am See einem Kicker das Leben gerettet. Für seine couragierte Tat erhält er Respekt und Anerkennung.

Igersheim/Harthausen. Etwa fünf Minuten vor Spielende der Partie stießen bei einem Zweikampf in der Luft, auf Höhe der Mittellinie, zwei Spieler mit dem Kopf zusammen. Ich selbst stand in diesem Moment nur wenige Schritte entfernt und beobachtete, wie einer der beiden noch in der Luft das Bewusstsein verlor und mit voller Wucht auf den Boden fiel, beschreibt der 27-jährige Igersheimer, der jetzt in Ludwigsburg wohnt, die furchtbare Situation, die der Schiedsrichter der Gilde Mergentheim (er pfeift für den SV Harthausen) als Leiter der Partie Rot am See gegen Bühlertann hautnah miterlebte. Er sei sofort zum Spieler geeilt und habe versucht, den Roter durch lautes Ansprechen wieder zu sich zu holen. Mit dem Torwart der Hausherren, Richard Sabanovic, habe er dann probiert, den Spieler zu stabilisieren, um die Erstversorgung zu gewährleisten, was uns zum Glück gelungen ist.

In stabiler Seitenlage fixiert

Aufgrund des ständigen Krampfens des Betroffenen und der Ungewissheit, ob er noch weitere Verletzungen an der Halswirbelsäule habe, versuchten wir alles, damit er auf dem Boden in der stabilen Seitenlage fixiert wurde, sagt Krauter, nachdem der Akteur zwischenzeitlich noch die Zunge verschluckt und keine Luft mehr bekommen hatte. Zusammen mit Sabanovic sei erreicht worden, nach mehreren Anläufen die Zunge zu befreien. Hierzu sei die Fahne des Linienrichters als Beißholz eingesetzt worden eine lebensrettende Maßnahme. Bis der Rettungshubschrauber eintraf, holten wir eine Wärmedecke, um das Auskühlen zu verhindern, und stabilisierten weiter den Kopf, denn die Verletzung stellte sich später als Schädelbruch heraus. Inzwischen gehe es dem jungen Mann wieder den Umständen entsprechend gut. Ehrlich gesagt, habe ich nichts in dem Moment gedacht. Als ich zu dem Spieler kam, wurde mir die Schwere der Verletzung sofort bewusst. Ich habe gehandelt, ohne groß nachzudenken, teilt der junge Mann weiter mit. Ihm habe dabei vor allem die Erste-Hilfe-Ausbildung, die er erst 2021 absolviert hatte, geholfen. Ich habe einfach reagiert und funktioniert. Und auch im Anschluss an diese schreckliche Szene habe er pragmatisch gehandelt, ist sich Tim Krauter sicher. Ich habe mich kurz mit den beiden Trainern von Rot am See und Bühlertann besprochen und dann sehr schnell für mich entschieden, dass aufgrund der psychischen Belastung der Spieler, Zuschauer und mir eine Spielfortsetzung nicht möglich ist. Die Dankbarkeit der Verantwortlichen, dass der TV und ich so schnell reagiert haben, haben die Zweifel, ob man vielleicht hätte mehr tun können oder müssen, in den Hintergrund gerückt. Nach Übernahme durch die Notärztin war ich ehrlich gesagt kurz den Tränen nahe, als ich in der Schiedsrichter-Kabine saß, blickt der 27-Jährige zurück, der als sehr talentierter Unparteiischer gilt. Meine Lebensgefährtin war an diesem Tag ebenfalls mit auf dem Sportplatz was nach solch einer extremen Situation sehr hilfreich war. Der enge Kontakt und die ständigen Updates über den Gesundheitszustand durch die Trainer des TV Rot am See sowie die persönliche Rückmeldung des Spielers an ihn, hätten das Ganze wesentlich vereinfacht. Für mich ist es selbstverständlich, dass man in jeder Situation allen Menschen hilft. Nicht nur, wenn sie in akuter Not sind, wie der Spieler in Rot am See, sondern auch die kleinen Gesten, wie etwa das Offenhalten einer Türe, verbessern den Zusammenhalt in der Gesellschaft, ist der bescheidene junge Mann überzeugt. Doch merke man immer mehr, dass dies aktuell nicht selbstverständlich sei. Besonders im Moment spüre er als Schiedsrichter auf dem Sportplatz eine gestiegene Aggression von den Zuschauern gegenüber dem Referee. Zivilcourage sollte für jeden ein Selbstverständnis sein.

Kopfverletzungen nehmen zu

Aufgrund meiner Erfahrungen in den vergangenen Jahren als Schiedsrichter würde ich empfehlen, dass wir einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Gerade Kopfverletzungen nehmen immer mehr zu, meint Tim Krauter abschließend gegenüber unserer Zeitung. Die Verbände sollten hier eventuell über eine Kampagne nachdenken, welche die Vereine bei der Anschaffung von Erste-Hilfe- Koffern fördere und die Möglichkeit eröffne, dass auch Schiedsrichter über den Verband eine Sport bezogenen Erste-Hilfe-Ausbildung machen können. Man kann es Tim nicht hoch genug anrechnen, wie er in dieser Situation so schnell und geistesgegenwärtig handelte und somit lebensrettende Maßnahmen einleitete, findet auch der Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Mergentheim, Julian Scheidel, lobende Worten für die vorbildliche Aktion. Glücklicherweise sei er an seiner Arbeitsstelle als Ersthelfer aktiv, so dass er wisse, wie in solch Situationen umgegangen werden müsse. Es ist schön zu sehen, dass Spieler, Schiedsrichter und Vereine in solchen dramatischen Situationen an einem Strang ziehen und der Verband mit der Bleib-fair-Kampagne auch die nötige Wertschätzung entgegenbringt. Und auch dem Vizepräsidenten des Landtags, Dr. Wolfgang Reinhart, ist der tolle Einsatz von Tim Krauter schon zu Ohren gekommen. Ich finde es hoch anerkennenswert, dass durch solch ein rasches und beherztes Eingreifen Leben gerettet wurde, meint er gegenüber den Fränkischen Nachrichten.